– Die Trauben-Debütantin: Weinlese in den Hammelburger Hängen –
„Moritz? Willi? Wo seid ihr denn bitte schon wieder? Ihr sollt doch beim Team bleiben!“ Ulrike Lange hält ihre Schäfchen beisammen. Oder besser gesagt: ihre Traubenpflücker. Sohn Moritz und sein Kumpel Willi gehören zu den Erntehelfern, die die Langes im Spätsommer auf ihrem Weingut unterstützen. Insgesamt 18,5 Hektar gehören der Familie rund um das unterfränkische Städtchen Hammelburg. Wein, wohin man blickt. Hier gibt es kein Saisonarbeiter-Hopping und anonymes Taschengeldaufbessern, sondern eine familiäre Atmosphäre. So läuft das Rebenschneiden in den Hammelburger Hängen. An diesem Tag bekommt die Truppe Unterstützung von einer echten Trauben-Debütantin.
Vorbereitung ist alles und das richtige Outfit die halbe Miete. Das hat die Chefin bereits beim ersten Telefonat klargemacht. Feste Schuhe und Regencape sind Pflicht. Da der eigene Kleiderschrank letzteres nicht hergibt, müssen die Langes aushelfen. Am 13. August waren die Erntehelfer heuer das erste Mal unterwegs, um Trauben für den Federweißer zu sammeln. „Da waren wir in Franken mit bei den ersten dabei“, erzählt Weingutbesitzer Thomas Lange, während er frühmorgens die Arbeitsutensilien ins Auto packt. In den orangen Kisten wird später zügig ein Träubel nach dem anderen landen. Die scharfen Scheren müssen nach Feierabend wieder abgegeben werden, damit sich keine mit in die Presse verirrt. Die Erntehelfer haben jeweils einen Schnittfavoriten, der besonders angenehm in der Hand liegt und in den vergangenen Tagen bereits gute Arbeit geleistet hat.
Weinlese in Unterfranken: Teamarbeit gefragt
Normalerweise sind sie in einer Gruppe von 14 Leuten unterwegs. Heute geht es den Sorten Ortega und Merzling mit nur sieben Händepaaren an den Stiel. Keine Angst vor Schmutz und Regenschauern, aber Lust auf Teamarbeit – das sei essenziell, um als Erntehelfer bestehen zu können, sagt Ulrike Lange. In Zweierpaaren arbeitet sich die Truppe den steilen Hang hinab an einer Rebe nach der anderen entlang. In den einzelnen Reihen – den Zeilen – schneiden die Erntehelfer versetzt, so dass keine Traube übersehen wird und kein Finger zwischen die Schere des Gegenübers gerät.
Manche Helfer wollen nur mit bestimmten Leuten ein Team bilden, weil sie das gleiche Tempo haben und aufeinander eingestellt sind. Und vielleicht auch, weil es sich mit manchem besonders gut durch die Weinblätter plaudern lässt. Hängt ein schön gewachsener Träubel an den Reben, lässt er sich problemlos abschneiden. Das ist allerdings nur selten der Fall. Viel öfter gleicht die Lese einer schwierigen Operation, bei der man sich zwischen verwachsenen Traubengedärmen hindurchschneiden muss.
Als Erntehelfer unterwegs: Alter spielt keine Rolle
Die meisten der Helfer kommen schon seit mehreren Jahren nach Hammelburg. So wie die 78-jährige Erika Mützel aus Heiligkreuz. Und wenn Erika Mützel loslegt, müssen alle anderen schauen, dass sie hinterherkommen. „Sie ist diejenige, die das Tempo vorgibt“, erzählt Lange. „Ich dachte mal, meine Finger fallen mir gleich ab, so schnell war sie.“ Das gibt zu denken: Die 78-jährige Rentnerin erntet Reben in Rekordzeit ab, während die 25-jährige Volontärin bei jedem erneuten Aufstieg Herzrasen bekommt. Wenigstens das Wetter spielt mit: Man wünscht sich zwar in den seltensten Fällen Nieselregen, doch Traubenernte unter der prallen Sonne wäre wohl unerträglich.
Immer wieder seien Ernteersthelfer dabei, die sich in den Weinhängen ausprobieren möchten oder einen sportlichen und naturnahen Ausgleich zum Büroalltag suchen. Einen wenig positiven Eindruck hinterlassen hat eine 21-jährige Studentin, die nach drei Tagen einfach nicht mehr zur Arbeit erschien. „Wir mussten bei ihr anrufen, weil sie sich nicht mal abgemeldet hatte“, erinnert sich Ulrike Lange. „Ihre Mutter hat dann gemeint, sie liege im Bett und könne sich nicht mehr bewegen vor Muskelkater.“ Und das als Leistungssportlerin. Ulrike Langes Tipp: „Nach dem ersten Tag abends in die Badewanne legen. Sonst packt man es nicht.“
Fazit: Mein erstes Mal als Traubenpflücker
Weinlese macht Spaß, ganz ernsthaft. An der frischen Luft arbeiten und dabei alles, aber auch wirklich alles über Wein erfahren. Vorausgesetzt, man hat Ulrike Lange als Gesprächspartnerin. Feste Schuhe sind tatsächlich unerlässlich. Den Weinberg herunterzupurzeln wäre die schmerzhafte Alternative. Und eines sollte man vor allem mitbringen: Kondition. Denn die tatsächliche Weinlese dauert nicht wie in unserem Fall fünf, sondern mindestens acht Stunden. Und das über 25 Tage hinweg.
KURZGEFASST
Erntehelfer bei der Weinlese
Wo? Weingut der Familie Lange, 97762 Hammelburg
Was braucht ihr? feste Schuhe, Regencape, reichlich Kondition
